Erdgas ist in Deutschland der mit Abstand beliebteste Rohstoff zum Heizen, wie die BDEW-Studie Wie heizt Deutschland zeigt. Weil aber die Nachbarn in den Niederlanden in Zukunft kein Gas mehr in die Bundesrepublik exportieren werden, sind in Deutschland neue Pipelines und kostspielige Umrüstungen nötig. Welche Veränderungen auf Millionen Deutsche zukommen, erklären wir im Anschluss.
Gas ist für den Otto Normalverbraucher ein wichtiger Rohstoff. Er wird zum Heizen verwendet, kann Strom erzeugen und Autos antreiben. Nun gibt es aber ein Problem: Deutschland importiert sein Gas größtenteils aus dem Ausland. Diese Tatsache hat nun große Konsequenzen.
Das Erdbeben in Huizingen
Wir schreiben das Jahr 2012. An einem unspektakulären Augusttag bebt die Erde in Huizingen, einem kleinen Dorf in den Niederlanden. Die Intensität: 3,4 Grad auf der Richterskala. Das Erdbeben beschädigte zahlreiche Gebäude und löste große Besorgnis bei vielen Bewohnern aus, denn: In der Region Groningen befindet sich ein riesiges Gasfeld.
Das 900 Quadratkilometer große Gasfeld soll die Ursache für das Erdbeben sein, weshalb es viele Proteste von besorgten Bewohnern gab. Die Niederländer entschieden daraufhin, den Export ab 2020 massiv zu verringern.
Dies führt in Deutschland zu großer Besorgnis, denn Deutschland ist auf Gasimporte aus den Niederlanden angewiesen. Die Nachbarn decken rund ein Drittel des deutschen Gasbedarfs ab (29 Prozent laut WINGAS).
Wachsende Abhängigkeit von Russland
Das strom magazin informiert, dass Deutschland nur rund 30 Prozent des Energiebedarfs selbstständig abdeckt; der Rest entfällt auf Importe – und das wichtige niederländische Standbein wird bald wegfallen.
Um das fehlende Gas von den Nachbarn zu ersetzen, muss Deutschland entweder die Eigenproduktion ankurbeln oder noch mehr aus dem Ausland importieren. Welche Optionen gibt es? Derzeit sind die wichtigsten Importpartner Russland und Norwegen. Eine noch größere Abhängigkeit von Ersterem ist problematisch, wie die Ereignisse von 2014 demonstrierten, als Russland der Ukraine den Gashahn abdrehte.
Eine Ankurblung der deutschen Produktion steht praktisch außer Frage, da es in der Bundesrepublik nur rund 50 Gasspeicher gibt. Außerdem hat Deutschland seine Gasförderung in den wichtigsten Regionen zwischen 2006 und 2013 nahezu halbiert; in Zukunft soll die Förderung weiter reduziert werden.
Gasproduktion früher und heute
Wie kam es überhaupt zu einer solch großen Abhängigkeit von anderen Ländern? Das deutsche Gasvorkommen war schon immer sehr limitiert, ganz im Gegenteil zu jenem unserer niederländischen Nachbarn. In den 1970er Jahren gab es hier die nahezu einzige große Gasquelle Westeuropas. Seit dem Spitzenwert in den 70er Jahren (rund 90 Milliarden Kubikmeter) sank die Produktion bis zur Jahrtausendwende kontinuierlich ab, bis sie anschließend wieder anstieg.
Bis 2020 plant man, die Produktion bei 45 Milliarden Kubikmetern zu halten; anschließend wird sie im Jahr 2035 auf zehn Milliarden Kubikmeter senken.
Ausbau des Gasnetzes und Umrüstung von Geräten
Deutsche Verbraucher im Norden und Westen Deutschlands stehen in Zukunft vor einem großen Problem: Sie nutzten Erdgas mit einem geringeren Brennwert als jenes, das aus Russland, Norwegen oder Großbritannien kommt. Wenn bald neues Gas bezogen werden muss, ist ein Umbau der Geräte nötig. Für Verbraucher ist die Umrüstung zunächst kostenlos, sie wird aber später über Umlagen indirekt von allen Gaskunden finanziert.
Eine Alternative wäre das LNG-Gas, welches aus den Golfstaaten und den USA nach Deutschland importiert werden könnte. Dieses Gas muss aufwendig auf minus 162 gekühlt werden. In jedem Fall muss die Geräteumrüstung ausgeführt werden, da die neuen Gassorten alle einen höheren Brennwert haben. Weitere Kosten, die für Verbraucher anfallen: Ein neues Transportsystem, welche hunderte Kilometer lang ist.
Offiziellen Zahlen zufolge werden in der Bundesrepublik rund fünf Millionen Haushalte mit dem niederländischen L-Gas versorgt; ein Großteil davon in Nordrhein-Westfalen.
Was passiert, wenn aus technischen Gründen keine Nachrüstung erfolgen kann? In diesem Fall zahlt der Kunde für den Kauf neuer Geräte.
Kauf neuer Gasgeräte nicht überstürzen
Wer in einer betroffenen Region wohnt, der sollte seine alten Gasgeräte nicht loswerden. Örtliche Versorger informieren betroffene Kunden frühzeitig vor einer eventuellen Umstellung. Außerdem winkt derzeit ein magerer Zuschuss von 100 Euro (§ 19a EnWG), falls alle Geräte ersetzt werden müssen. Da Verhandlungen laufen, diese Summe zu erhöhen, ist das Abwarten die bessere Wahl.
Wer prüfen möchte, ob er sich in einem von der Umstellung betroffenen Gebiet befindet, erhält auf dieser Infoseite der Bundesnetzagentur alle relevanten Informationen.
Wie läuft eine Umstellung von dem alten L-Gas auf das neue H-Gas ab?
- Experten erfassen alle Gasgeräte eines Haushaltes; erst ein Jahr später erfolgt die eigentliche Umstellung.
- Der Tag der Umstellung wird dem betroffenen Verbraucher kommuniziert. Installateure bringen alle Ersatzteile mit und montieren diese.
- Mithilfe von Stichproben wird geprüft, ob die Umrüstung richtig ausgeführt wurde.
Wie bereits erwähnt, entstehen für Verbraucher keine direkten Kosten (Kauf neuer Geräte ausgenommen), da der Netzbetreiber diese übernimmt. Irgendwer muss aber die Investitionskosten bezahlen – und das sind alle Gaskunden, die höhere Netzentgelte finanzieren müssen. Dennoch ist nicht mit großen Preiserhöhungen zu rechnen, da die Umstellung bis 2030 erfolgt; die Gasrechnung sollte folglich nur um wenige Euro pro Jahr höher ausfallen.
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