Der im Jahr 1704 geborene, aus Rostock stammende Sekretär der VOC Joachim Nikolaus von Dessin starb im Jahr 1761 in Kapstadt und vermachte seine umfangreiche private Büchersammlung der Stadt. Damit wurde der Grundstein für Südafrikas erste öffentliche Gemeindebibliothek gelegt. Die Bestände der Bibliothek wurden im Laufe der Jahre immer größer und die Räume in der Slave Lodge zu klein. Im Jahr 1828 zog man aus diesem Grund zum ersten Mal um. Im nördlichen Teil des Company’s Garden wurde 30 Jahre später der Grundstein für die heutige Bibliothek gelegt. Innerhalb von nur zwei Jahren wurde der neoklassizistische Bau errichtet. 1860 wurde der Bau schließlich Prinz Albert seiner Zweckbestimmung übergeben. Die Bibliothek wurde später mehrmals erweitert.
Dessin
Dessin war der Spross des alten mecklenburgischen Adelsgeschlechts von Tessin, welches später den Namen Dessin trug. Joachims Großvater, Amtmann zu Ahrensbök und Herzoglich Holsteinischer Oberjägermeister, stammte im fünften Glied von Klaus von Tessin ab und hatte zwei Söhne, Joachim Christian, der 1704 in Ungarn in einem Duell starb, sowie Christian Adolf. Christian Adolf von Dessin wurde im Jahre 1679 geboren und war ein Offizier der schwedischen Armee. 1702 heiratete er Margaretha Elisabeth von Hünemörder. Auch Christian Adolf zeugte zwei Söhne, Joachim Nikolaus und August Christian. Joachim beschloss frühzeitig das elterliche Haus zu verlassen, nachdem seine Mutter 1706 verstarb und sein Vater erneut heiratete. Im zarten Alter von 13 Jahren war er bereits Page bei dem Markgrafen Albrecht Friedrich. Seine Schulbildung erhielt er auf dem königlichen Joachimsthalschen Gymnasium in Berlin. 1723 wurde Joachim Kammerjunker beim Markgrafen, bei dem er weitere zwei Jahre verblieb. Nach dem Tod seines Vaters kehrte Joachim als junger Mann nach Mecklenburg zurück und lebte dort von dem Erbe seiner Mutter. Später verließ er seine Heimat und wanderte nach Holland. 1727 bestieg Joachim Nikolaus von Dessin das Schiff nach Kapstadt, wo er blieb und mit dem Rang als Assistent als Kanzlist bei der Justizkammer angestellt wurde. Seine gelehrten Studien wurden fortgesetzt und als Anwalt praktiziert. 1730 heirate Joachim die deutschstämmige Christina Ehlers, welche ihm Zugang zu besseren Kreisen verschaffte und einem Weg zum Aufstieg ebnete. 1737 wurde Joachim Sekretär der Nachlassbehörde und Waisenkammer. Joachim Nikolaus von Dessin verstarb am 18. September 1761 in Kapstadt und hinterließ seine Sammlung der Stadt.
Die Sammlung von Dessin
Durch seinen sozialen und beruflichen Aufstieg in der Gesellschaft, welches er unter anderem seiner Frau Christina Ehlers zu verdanken hatte, war er in der Lage sich mehrere Häuser und großes Land anzueignen. Eines dieser Wohnhäuser eignete sich aufgrund seiner Dimensionen zur Aufnahme einer Bibliothek. Die Zusammensetzung und der Aufbau seiner immer größer werdenden Büchersammlung verrieten einiges über sein vielfältiges Interesse im Zeitalter der Aufklärung. Den Klassikern der Antike aber auch Zeitgenossen der Theologie und Philosophie schenkte er große Beachtung. Mit mehr als 1.000 Bänden umfassten die theologischen Bücher fast ein Viertel der gesamten Sammlung. Zu seiner Zeit verfügte Dessin über hervorragende Sprachkenntnisse. Um diese weiter zu schulen, schaffte er sich zahlreiche Wörterbücher, Sprachlehren und Grammatiken an. Neben seiner Muttersprache las er auch Latein, Holländisch, Französisch sowie Englisch, Italienisch, Spanisch, Griechisch und Hebräisch. Dies ist mit zahlreichen handschriftlichen Anmerkungen in seinen Büchern zu belegen. Neben den Sprachen beschäftigte sich Dessin mit Astronomie, Geografie und auch Mathematik. Der Geschichte schenkte er eine besonders große Aufmerksamkeit, was die 800 Werke in seiner Sammlung belegen. Ergänzt wird der Bestand durch wertvolle Handschriften wie etwa Abschriften wertvoller Berichte, Tagebüchern und Beschreibungen des Kaplandes durch Kompaniebeamte, aber auch Frühgeschichten der europäischen Besiedlung Südafrikas finden sich in der Sammlung Dessins wieder. Dessin konnte bei dem Erwerb der Bücher seine persönlichen Beziehungen, sein Beruf und Vermögen nutzen. Ohne Buchhandlungen, Druckereien und Verlage war der Erwerb damals äußerst schwierig. Als Sekretär der Waisenkammer erhielt er regelmäßig Nachrichten von Nachlässen und konnte Bücher besonders schnell erwerben. Diese erhielt er oftmals von durchreisenden Gästen und abreisenden Beamten, tauschte sie aber auch gegen Lebensmittel und andere wertvolle Gegenstände. Besonders schwer zu findende Bücher wurden direkt aus Europa bestellt.
Sein Vermächtnis
Das umfangreiche Testament von Joachim Nikolaus von Dessin wurde am 5. Oktober 1761 zur Verlesung im Kirchenrat gebracht. Dessin vermachte darin der Kirche am Kap seine Bibliothek inklusive Manuskripte, alle dazu gehörigen Pulte und Bücherschränke, Buchpressen sowie astrologische und mathematische Instrumente und Bilder. Für die Erbschaft hatte Joachim Nikolaus von Dessin eine einzige Bedingung: Das seine Hinterlassenschaft nicht zerstreut oder verkauft wird. Sie soll als Grundstock einer öffentlichen Bibliothek dienen, die jährlich ausgebaut werden soll. Dazu vermachte er dem Kirchenrat eine Summe von 1.000 Reichstalern. Das Vermächtnis Dessins wurde von dem Kirchenrat der Reformierten Kirche am 2. November 1761 angenommen. Laut Inventar bestand die Bibliothek aus 2.597 Werken in 3,856 Bänden und Handschriften, gebunden sowie ungebunden, in Folio, 32 Bildern, einer Sammlung von 123 großen Silbermünzen, 17 silbernen Medaillen, 103 mittelgroßen und 118 kleinen sowie wenigen Kupfermünzen. Die Waisenkammer schenkte dem Kirchenrat zudem 1.000 Reichstaler. Um die komplette Büchersammlung unterzubringen, wurde 1763 auf Anordnung der Regierung ein Bau auf einem Grundstück der Küsterei errichtet. Bis 1821 wuchs die Sammlung auf insgesamt 4.565 Werke an. In der heutigen Nationalbibliothek erinnern zwei runde Tafeln mit der Aufschrift „J.N. von Dessin whose book collection by his bequest the first Public Library in South Africa dwelt on this site from 1756-1761.“ an den Einfluss von Dessin.
Artikelbild: I, PhilippN [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html), CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/) oder CC-BY-SA-2.5-2.0-1.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5-2.0-1.0)], via Wikimedia Commons