Es scheint so weit entfernt und ist in Wahrheit so unfassbar nah. Die Zwangsheirat ist in Deutschland nach wie vor ein richtig großes Thema, denn es werden noch immer junge Mädchen gegen ihren Willen verheiratet. Die sogenannte arrangierte Heirat wird von den Verwandten organisiert und die künftigen Eheleute wissen davon im Regelfall nichts. Gerade die Frauen sind dabei die Leittragenden, ihr Wille zählt bei dieser Angelegenheit nicht. Die Zwangsehe ist insbesondere in islamistischen und hinduistischen Gesellschaften sehr weit verbreitet. Doch auch christliche, buddhistische und jesuitische Zwangsehen sind, wenn auch eher selten, möglich. Die Zwangsehe kann unterschiedlich aussehen und hat auch verschiedene Beweggründe. Mindestens ein Partner erfährt dabei aber Druck oder Zwang und entscheidet sich nicht bewusst für diese Ehe. Dieser Ratgeber zeigt, wie die Zwangsheirat in Deutschland aussieht, wo sie zu finden ist und weshalb sich dieses Konstrukt der Heirat noch immer durchsetzen kann.
Die Zwangsehe und der Hintergrund
Eine Zwangsehe impliziert eine Eheschließung, die unter Druck vollzogen wird und dabei den freien Willen eines Menschen missachtet. Insbesondere in islamistischen Ländern werden junge Mädchen zu einer Hochzeit gezwungen, ohne dass sie den künftigen Ehemann kennen würden. Die Zwangsheirat dient sehr oft einem gesellschaftlichen Aufstieg und soll nicht selten die ganze Familie in materieller Hinsicht versorgen. Die Eltern sind meist sehr lange mit der Suche nach einem passenden Ehepartner für die Tochter beschäftigt. Andernfalls ist aber auch denkbar, dass die Ehe schon weit vor der Geburt beschlossen war. Mitunter sind finanzielle Gründe der Anreiz, denn die Brauteltern der Tochter erhalten im Regelfall hohe Geldsummen. Wie genau die Mädchen zur Ehe gezwungen werden, ist wiederum sehr unterschiedlich. Der Fokus liegt jedoch oft auf der Tradition und der Ehre, ein Widerspruch wird zumeist gar nicht erst geduldet. Die Mädchen haben in diesen Regionen kaum ein Mitspracherecht, was auch der Grund sein dürfte, dass sie sich stillschweigend ihrem Schicksal fügen.
Wer ist von der Zwangsehe betroffen?
Die Zwangsehe betrifft im Grunde Frauen und Männer gleichermaßen. Studien belegen, dass die Dunkelziffer der Männer aber weitaus höher ist, diese trauen sich noch weniger, über die Zwangsehe zu sprechen. Dass überwiegend Frauen zwangsverheiratet werden, hat den Grund, dass für Mädchen die Zahlung eines Brautgeldes vorgesehen ist. Dabei handelt es sich um einen Geldbetrag oder einen materiellen Besitz, der zur Hochzeit überreicht wird. Die Eltern der Braut erhalten von den Eltern des Bräutigams eine zuvor festgelegte Geldsumme. Dieser Brautpreis ist in vielen Kulturen ein wichtiger Brauch, der leider einen faden Beigeschmack hinterlässt. Das Brautgeld ist noch heute Grund dafür, dass Frauen gegen ihren Willen mit einem wohlhabenden Mann verheiratet werden. Auch in Deutschland sind Zwangsehen wegen des Brautgeldes keine Seltenheit, immerhin kann es sich dabei um hohe Summen handeln. Nicht selten brauchen die Familien dieses Geld sehr dringend, weshalb sie sich auch ohne traditionelle Gründe zu einer Zwangsehe für das eigene Kind entschließen. Dieser Punkt ist auch folglich das Druckmittel. Schließlich möchte wohl kein Kind, dass die Eltern finanzielle Sorgen hegen.
Die Gründe einer Zwangsheirat in Deutschland
Es gibt verschiedene Gründe, die zur Zwangsheirat in Deutschland führen. Es ist noch immer üblich, dass Mädchen und junge Frauen aus dem Heimatland nach Deutschland gebracht werden. Der einzige Sinn liegt darin, dass sie hier einen Ehemann vorfinden, der schon wartet. Die Vereinbarung besteht im Regelfall seit Jahren, was oft auch daran liegt, dass ein Verwandtschaftsverhältnis besteht oder die künftigen Ehepartner in demselben Dorf aufwuchsen.
Viele Mädchen mit Migrationshintergrund verlassen in den Ferien Deutschland und kehren in das Heimatland zurück. Eigentlich soll es sich bloß um einen Urlaub handeln, doch das sehen die Familien anders. Sobald das Mädchen eintrifft, beginnen auch schon die Hochzeitsvorbereitungen. Die Familien haben alles arrangiert und die Ferien-Hochzeit startet meistens schon, kaum ist die Tochter gelandet. Die Bräute bleiben im Anschluss an die Zwangsheirat im Land und werden manchmal sogar als Zweitfrau oder Drittfrau geheiratet. Schlimmstenfalls enden sie als reine Arbeitskraft für das Feld.
Eine weitere Form der Zwangsheirat gewinnt an Bedeutung, wenn es um die Einreisebestimmungen nach Deutschland geht. Frauen, die schon eine Aufenthaltsgenehmigung besitzen, reisen zu einem Urlaub in das Heimatland und treffen dort vollkommen unvorbereitet auf ihren künftigen Ehemann. Die versprochene Ehe dient dazu, dem Ehemann ebenfalls eine Einreise zu ermöglichen. Auch bei diesem Modell weiß die Braut zuvor nicht, was mit ihr geschieht.
In Deutschland gibt es Anlaufstellen
Zwischenzeitlich ist das Thema Zwangsehe in Deutschland kein Tabuthema mehr. Betroffene Frauen können auf ein breites Hilfsangebot zurückgreifen und auf Hilfe bauen. Es gibt Vereine, die sich außerdem der Auslandshilfe verschrieben haben. Sie sind bemüht, betroffene Damen aus dem Ausland wieder nach Deutschland zu holen und ihnen den Weg aus der Zwangsehe zu ebnen. Ehefrauen, die aus diesem Kreislauf ausbrechen wollen, finden professionelle Hilfestellen, die auf verschiedene Weise aktiv werden. So ist Ausbruch aus einer bestehenden Zwangsehe endlich möglich. Doch auch vorausschauende Hilfsangebote sind verfügbar. Befürchtet man, dass eine Zwangsheirat bevorsteht, dann kann dagegen vorgegangen werden, denn jeder Mensch hat das Recht auf einen freien Willen.
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